Saturday, May 5, 2007

Japans Kolonialpolitik in Korea

NZZ Artikel über Japans Kolonialpolitik in Korea:

"Ab 1938 wurde die koreanische Sprache ganz verboten. Die Koreaner
sollten nicht nur im öffentlichen Raum Japanisch sprechen, sondern
auch innerhalb der Familie. Nachdem Japanisch mit dem Beginn der
Kolonialisierung 1910 als Nationalsprache eingeführt worden war,
wurde Koreanisch ohnehin immer mehr an den Rand gedrängt. Nun aber
wurden sogar kleine Kinder, die auf dem Schulhof miteinander
koreanisch sprachen, hart bestraft. Kinder sollten ausserdem melden,
wenn die Familie zu Hause koreanisch sprach. Die Gedankenpolizei war
überall.

Eine andere Massnahme, genannt «Changssi- gaemyong», brachte die
Koreaner zur Verzweiflung. Alle sollten ihre koreanischen Namen in
japanische umwandeln und diese eintragen lassen. Die Massnahme wurde
Ende 1939 beschlossen und sollte ab Februar 1940 innerhalb von nur
sechs Monaten in die Tat umgesetzt werden. Die Kolonialregierung
liess verlautbaren, diese Aktion werde auf Wunsch der Koreaner
durchgeführt und sei ein Angebot an sie, endlich so zu werden wie die
Japaner. Wenn aber überhaupt etwas Heiliges für die Koreaner
existiert, dann die Ahnenlinie und damit der von Ahnen
weitergereichte Familienname.

Um sein Ziel durchzusetzen, musste Japan deshalb folgende Druckmittel
anwenden: Personen mit koreanischen Namen erhielten keine
Lebensmittelkarten, ohne die man nicht überleben konnte; Kinder mit
koreanischen Namen schulte man nicht ein oder versetzte sie nicht in
die nächste Klasse; Postsendungen mit koreanischen Namen wurden nicht
weiterbefördert; Ämter nahmen keine Anträge von Personen mit
koreanischen Namen entgegen. Koreaner mit alten Namen erhielten keine
Arbeit, und diejenigen Koreaner, die Arbeit hatten, wurden ohne
Namensänderung entlassen. In den ersten drei Monaten waren nur 7,6
Prozent der Koreaner dem Befehl gefolgt, aber im August hatten 79,3
Prozent ihre Namen geändert, nachdem die Zwänge unerträglich geworden
waren. Viele Koreaner begingen Selbstmord. Hinzu kamen die erzwungene
Teilnahme am täglichen Shinto-Ritual und die Verbeugung gegen Osten,
wo der göttliche Kaiser residierte, bei allen möglichen Anlässen.
Alle mussten ständig eine Formel aufsagen, eine Art Treuegelöbnis dem
Kaiser gegenüber. Es folgten Zwangsrekrutierungen und Arbeitszwang,
etwa in Bergwerken oder als «Trostfrauen»."

5. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung

http://www.nzz.ch/2007/05/05/li/articleEB906.print.html